
Elternschaft ist nie einfach, doch das Leben mit einem Kind, das als „schwierig“ wahrgenommen wird, stellt Familien vor besondere Herausforderungen. Es sind nicht nur die täglichen Alltagskämpfe, Therapien oder Gespräche die Aufmerksamkeit fordern, sondern auch der Druck der gesellschaftlichen Erwartungen, die oft fehlende Unterstützung oder der Mangel an Verständnis, die das Leben zusätzlich erschweren.
Der Alltag: Liebe inmitten von Herausforderungen
Kinder mit besonderen Bedürfnissen – sei es durch ADHS, Hochsensibilität, Autismus, Bindungsstörungen, Trauma, Ängste oder andere Verhaltensauffälligkeiten – sind oft besonders bedürftig. Sie brauchen viel! Klare Regeln, feste Strukturen und Sicherheit, um in einer Welt voller Reize, Veränderungen und Erwartungen ihren Platz zu finden. Doch genau das kann den Alltag für Eltern und Geschwister zur Zerreißprobe machen.
Ich habe lange überlegt ob ich hier auch Kinder mit Behinderungen aufzähle, doch ich konnte mich nicht entscheiden. Wieso? Es gibt einige Behinderungen, die für das Außen klar erkennbar sind, wie beispielsweise bei Kindern mit Downsyndrom. Hier herrschen zwar ähnliche Herausforderungen, doch eben auch eine völlig andere Akzeptanz in der Gesellschaft, bei Verhaltens- oder Anpassungsschwierigkeiten. Doch ich habe auch immer wieder vor allem mit Kindern zu tun, die beispielsweise eine geistige oder seelische Behinderungen in sich tragen. Diese sieht man ihnen „leider“ nicht offensichtlich an. Also stößt man immer wieder auf großes Unverständnis, Kopfschütteln und negatives Feedback.

Feste Strukturen, transparente Regeln und viel viel Sicherheit sind essenziell im Alltag. Schon kleine Abweichungen vom Tagesablauf können das Kind schon durcheinanderbringen, was nicht selten in starken Wutanfällen oder völliger Überforderung der Kinder und Elternteile endet. Ein spontaner Besuch bei Freunden oder ein ungeplanter Ausflug? Für viele Familien undenkbar. Zu viele Reize, zu wenig Komfortzone und dann noch der Druck, kooperieren und sich anpassen zu müssen. Die Konsequenz: ein Rückzug ins Private, weniger Unternehmungen gemeinsam mit Anderen und das Gefühl, sich ständig rechtfertigen zu müssen.
Zusätzlich ist auch manchmal auch schwer Besuch zu empfangen. Das Kind ist zwar dann in seiner Komfortzone, doch andere Menschen sorgen für Ablenkung, Ausnahmen und somit Verunsicherung. Oft erfordert es die volle Kraft und Aufmerksamkeit ein Kind ständig so gut zu lesen, um etwaige, kräftezehrende Ausraster zu vermeiden. Konzentration hierauf, ist deutlich schwerer mit Besuch im Haus, was den inneren Druck von Eltern ebenfalls ansteigen lässt und das Kind weiter verunsichert.
Oft ziehen sich Freunde, Bekannte und die Familie zurück, weil sie nicht nachempfinden können in welchem Alltag man steckt, oder es schlichtweg zu stressig und nervig ist, mit einem Kind, was ständig so präsent ist und oft zum Gesprächs- oder Streitthema wird. Doch als Elternteil möchte man jedoch nur das Beste für sein Kind und seine Familie.
Gesellschaftliche Erwartungen und soziale Isolation

Der Druck von außen ist allgegenwärtig. Viele gesellschaftliche Werte und Normen sind fest in den Köpfen und Glaubenssätzen der Menschen verankert. Das Verhalten von Kindern wird kritisch beäugt – sei es bei einem Wutanfall im Supermarkt oder während einer ungewohnt lauten Spielplatzszene. Oft wird automatisch in den Köpfen vom Verhalten der Kinder auf das Erziehungsvermögen der Eltern geschlossen. „Wohlerzogene“, ruhige Kinder haben ein gutes Elternhaus, Rabauken und Rebellen leben in Familien die ihr Leben und ihre Kinder nicht im Griff haben. Ist das Verhalten des Kindes in irgendeine Richtung irritierend, werden die Eltern schnell als „zu streng“ oder „zu nachgiebig“ abstempelt.
Auch das Alter des Kindes, spielt in der Akzeptanz eine große Rolle. Wird der Trotzanfall eines Dreijährigen noch mit „Ach, süß der kleine Dickkopf.“ von anderen schmunzelnd kommentiert, erntet ein überfordertes Schulkind nur Kopfschütteln und entsetzte Blicke, wenn es sich nicht erwartungsgemäß in der Öffentlichkeit verhält. Was kann man da tun als Elternteil? Ein dickes Fell zulegen oder Situationen komplett meiden?
Isolation ob von außen oder selbstgewählt, ist nicht nur schmerzhaft, sondern verstärkt auch das Gefühl, mit allen Herausforderungen allein zu sein, irgendwie falsch zu sein. Besonders schwer wird es, wenn Nachbarn oder Bekannte die Familiensituation immer wieder falsch interpretieren. Laute Schreie aus dem Haus? Da wird schnell die Sorge geäußert, es ginge dem Kind zu Hause nicht gut. Die Realität dahinter bleibt oft versteckt und unverstanden, weil niemand sich ernsthaft mit den Problemen von anderen Menschen befassen möchte. Ein schnelles Urteil ist meist einfacher und rechtfertig den Gedanken besser zu sein als andere. Denn sind wir mal ehrlich… überall geht es auch immer ein wenig um Wettbewerb, auch unter Familien. Schon früh, stehen Eltern mit den Worten: „Mein Kind kann, …“ zusammen.
Kämpfe mit Institutionen: Schule und Kita im Fokus

Der Kontakt mit Schulen, Kitas und anderen Betreuungseinrichtungen ist für viele Eltern ein ständiger Balanceakt. Lehrer und Erzieher haben oft nicht die Kapazität oder das fachliche Wissen, die individuellen Bedürfnisse des Kindes ausreichend zu berücksichtigen und hilfreich darauf einzuwirken. Eltern stehen regelmäßig vor der Aufgabe, das Verhalten ihres Kindes zu erklären und zu rechtfertigen, um Unterstützung und Verständnis zu gewinnen – ein Kampf, der emotional und zeitlich sehr viel Kraft und Energie kostet.
Auch der Gedanke, das eigene Kind hat einen so negativen Stempel auf der Stirn und eckt überall immer wieder an, belastet sehr, denn man wünscht es sich anders für den eigenen Spross. An Veranstaltungen dort, nimmt man nicht gerne teil, weil man förmlich die negativen Blicke spürt. Vor allem in der Kita- und Schulzeit fühlt man sich sehr machtlos, denn man weiß, wie schwer das Kind es dort hat, wie wenig Unterstützung oder individuelle Möglichkeiten es gibt in einem solchem System. Doch man hat einfach sehr wenig Einfluss auf Besserung der Rahmenbedingungen, um es dem eigenen Kind leichter zu machen und bei Druck, Entlastung zu verschaffen.
Zusätzlich erschweren die zahlreichen Termine – sei es für Therapien, Gespräche, Arztbesuche oder andere Behandlungen – den Alltag der Familie. Die Fahrten und Organisation nehmen nicht nur viel Zeit in Anspruch, sondern erfordern auch ein hohes Maß an Planung, um den Bedürfnissen des Kindes gerecht zu werden. Gleichzeitig muss jeder anderer Teil der Familie die eigenen Wünsche und Bedürfnisse weitestgehend zurück stecken.
Oft werden langwierige und aufwendige Diagnostiken durchgeführt oder diverse Medikamentenversuche abgearbeitet. Das Ziel ist oft Entlastung, fürs Kind, die Eltern, Kita oder Schule! Entlastung durch das Wissen, das Verhalten rührt nicht aufgrund des elterlichen Unvermögens, sondern einer Krankheit oder Behinderung. Entlastung durch ein weiteres Argument für andere, die das Urteil über das Kind mildern. Entlastung durch die Hoffnung auf Besserung durch die richtige Therapiemaßnahme.
Herausforderungen in der Freizeitgestaltung
Ein Highlight jagt das nächste – so sieht der Alltag vieler Familien aus. Doch mit einem „schwierigen“ Kind ist das oft nicht möglich. Freizeitstress und ständige Reizüberflutung führen schnell zu Überforderung. Viele Hobbys oder Aktivitäten, die andere Familien genießen, sind für diese Kinder schlicht zu viel. Die Konsequenz: Eltern müssen kreative Alternativen finden, die den Bedürfnissen ihres Kindes gerecht werden, was häufig bedeutet, auf vieles zu verzichten.
Geburtstagsfeiern oder Spieletreffs die z.B. in Indoorhallen oder Freizeitparks stattfinden, müssen abgesagt werden, mit dem Bewusstsein, das Kind kann die Reize nicht verarbeiten und steht schnell auf Error. Museen, Märkte oder Aktivitäten mit viel Anpassungsleistung oder Konzentration fallen ebenfalls oft flach. Die selbst geplante und gut bewährte, reizarme Freizeitgestaltung ist dann sehr schnell für andere Familien und Kinder viel zu langweilig und uninteressant. Zu wenig Action, also wird von anderen abgesagt.

Immer wieder gibt es zahlreiche Konfliktsituationen mit anderen Kinder, so das man oft auf das Verständnis und die Toleranz der Spielkameraden angewiesen ist, die "schrägen" und "seltsamen" Verhaltensweisen zu verstehen. Manchmal werden unsere Sorgenkinder schnell zu Mobbingopfern, manchmal üben sie aber auch Macht über andere Kinder aus, weil sie sich nicht verstanden fühlen. Das macht die Förderung von sozialen Kontakten recht schwer, denn diese müssen oft eng begleitet, lange geübt und immer reguliert werden.
Selbst vermeintlich einfache Dinge wie ein gemeinsames Essen können zur Herausforderung werden. Wenn das Kind beispielsweise sensibel auf Zucker oder Zusatzstoffe reagiert, geraten Eltern schnell in die Kritik: Sie gelten als zu streng oder kleinlich, wenn sie es verbieten. Solche Vorurteile sind nicht nur verletzend, sondern verstärken das Gefühl, sich ständig rechtfertigen zu müssen.
Auf der anderen Seite nervt es Freunde und denen Kinder, wenn darauf bewusst Rücksicht genommen werden muss, obwohl sie es ihren Kindern gern gönnen möchten.
Bindung und Entwicklung trotz Herausforderungen
Trotz all dieser Schwierigkeiten gibt es auch Lichtblicke. Die intensive Betreuung und die Notwendigkeit, sich ständig auf das Kind einzustellen, schaffen oft eine besonders tiefe Bindung. Kinder, die sich sicher und verstanden fühlen, haben die Möglichkeit, sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln. Sie fühlen sich sicher mit und trotz ihrem Anderssein und lassen ihre Emotionen mit der Gewissheit raus, das wir es aushalten können. Trotz ständiger Gegenwehr, haben sie das Vertrauen in uns, das wir wissen was für sie gut ist, sie im Blick haben und immer das Beste aus jeder Situation machen. Kinder verlassen sich auf uns und wissen das wir sie beschützen, unabhängig davon was andere sagen, denken oder tun.
Die kleinen Erfolge – ein erster selbstständiger Schritt, ein friedlicher Nachmittag oder ein gelungenes Gespräch – werden zu Meilensteinen, die die Mühen lohnenswert machen. Eltern lernen, das Verhalten ihres Kindes besser zu lesen, zu verstehen, und entwickeln eine Geduld und Stärke, die ihresgleichen sucht.

Fazit: Verständnis und Unterstützung sind der Schlüssel
Das Leben mit einem „schwierigen“ Kind erfordert unendlich viel Liebe, Geduld und Durchhaltevermögen. Vielleicht auch ein sehr dickes Fell mit einer „Scheiß-egal-was-andere-sagen-Einstellung“ Was diese Familien am meisten brauchen, ist Verständnis – von Freunden, Verwandten und der Gesellschaft. Anstatt zu urteilen, sollten wir lernen zuzuhören und die Bedürfnisse dieser Kinder und ihrer Eltern zu erkennen und ernst zu nehmen.
Denn hinter dem vermeintlich „schwierigen“ Verhalten verbirgt sich oft ein individuelles, sensibles, liebenswertes Wesen, das seinen Platz in der Welt sucht. Und hinter dem harten und unverständlichen Verhalten der Eltern oder den müden, aber liebevollen Augen steckt eine Stärke, die bewundernswert ist.
Also lasst uns einfach weniger Urteilen und mehr den GUTEN GRUND hinter all dem suchen. Den guten Grund für das Verhalten unserer Kinder und vor allem den guten Grund für unser Sein als Eltern. Denn nichts geschieht ohne Grund und vor allem Eltern von „schwierigen“ Kindern machen sich eben die meisten Gedanken in ihrem Alltag.
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Bis dahin, bleib offen und einmalig,
deine Michaela