Wann bin ich eine gute Mutter / ein guter Vater?
- Michaela Schnittke

- 28. Sept.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Sept.
Zwischen Perfektion, Druck und echtem Elternsein

Manchmal hast du vielleicht das Gefühl, ständig auf dem Prüfstand zu stehen: Mache ich es richtig? Bin ich eine gute Mutter? Ein guter Vater? Der Druck, alles „perfekt“ zu machen, ist groß, von außen und von innen. Da sind die Blicke anderer Eltern auf dem Spielplatz, die scheinbar reibungslos funktionierenden Familien auf Social Media, die Stimmen im Kopf mit alten Glaubenssätzen oder Erwartungen aus der eigenen Kindheit.
Doch die Wahrheit ist: Elternsein bedeutet nicht, fehlerfrei zu sein. Es bedeutet, deinem Kind Sicherheit, Liebe und Begleitung zu geben auch wenn nicht immer alles glatt läuft. Genau in diesen unperfekten Momenten steckt oft das Wertvollste.
In diesem Artikel schauen wir gemeinsam darauf,
· was „gute Elternschaft“ eigentlich bedeutet,
· woher der Druck kommt, immer perfekt sein zu müssen,
· und warum dein Kind viel weniger braucht, als du vielleicht glaubst.
Am Ende wirst du hoffentlich spüren: Du bist genug. Nicht perfekt, aber genau richtig!
Was Kinder wirklich brauchen
Im Alltag von Familien sieht es oft so aus:
Die Brotdose für Kita oder Schule muss nicht nur gesund, sondern bitte auch noch hübsch angerichtet sein. Nachmittags warten Schwimmkurs, Fußballtraining, Tanzgruppe oder Reiten, dazu vielleicht noch ein Instrument, weil musikalische Förderung doch so wichtig ist. Frisch kochen und auch bitte noch genug Zeit für Verabredungen. Eltern organisieren, jonglieren und balancieren – und die Kinder gleich mit.
Das Ergebnis: Ein übervoller Tag, in dem zwischen Terminen und Programmen oft kaum noch Raum bleibt für das, was Kinder wirklich brauchen, genug freie, unverplante Zeit. Zeit, in der sie einfach spielen, träumen, experimentieren, sich langweilen und dadurch Kreativität entwickeln können.
Und dann ist da noch die Frage der Erziehungshaltung:
Viele Eltern orientieren sich heute an „bedürfnisorientierter Erziehung“, ein wunderbarer Ansatz, der Kinder ernst nimmt und ihre Gefühle achtet. Doch nicht selten kippt er in Selbstaufgabe. Mama oder Papa funktionieren wie ein Roboter, stellen die eigenen Bedürfnisse ständig zurück, versuchen jeden Konflikt zu vermeiden und das Kind dauerhaft glücklich zu halten. Hierbei wird dieser Ansatz oft völlig falsch kommuniziert, verstanden und gelebt. Stets im Glauben, man macht`s ja heute so…

Doch Kinder brauchen nicht grenzenlose Freiheit. Sie brauchen Grenzen.
Klare Regeln und Strukturen geben Orientierung und Sicherheit. Sie signalisieren: „Hier kannst du dich ausbreiten, aber da ist ein Halt, der dich schützt.“ Grenzen engen nicht ein, sie schaffen Halt und Vertrauen.
Am Ende zeigt sich, ein Kind braucht nicht die perfekte Brotdose, nicht den vollen Stundenplan, nicht rund um die Uhr Glück. Es braucht verlässliche Eltern, die Sicherheit ausstrahlen, die standhalten, wenn es schwierig wird, und die mutig Entscheidungen treffen. Eltern, die nicht bei jeder Frage ins Schwimmen geraten, sondern authentisch nach ihrem Bauchgefühl handeln und abends in Ruhe reflektieren, wo Veränderung oder Verbesserung wirklich sinnvoll ist.
Das Fundament guter Entwicklung sind Sicherheit, Verlässlichkeit, Authentizität und Liebe. Alles andere ist ein schönes Extra, aber niemals Ersatz.
Der Druck von außen

Elternschaft findet heute nicht mehr nur im eigenen Zuhause oder im kleinen Umfeld statt, sie steht unter Dauerbeobachtung. Spätestens mit Eintritt in Kita, Schule oder auf dem Spielplatz oder im Turnverein entsteht ein ungeschriebenes Regelwerk, wie eine „gute Mutter“ oder ein „guter Vater“ angeblich zu sein hat. Hier sieht und lernt man sehr schnell, was anscheinend „alle“ so leben.
Die Gesellschaft hat ihre eigenen Bilder:
· Das Kind ist immer ordentlich gekleidet.
· Es isst gesund und ausgewogen.
· Es ist früh motorisch fit, kann schwimmen, Rad fahren und vielleicht schon schreiben, bevor die Schule beginnt.
· Die Eltern wirken gelassen, haben alles im Griff und lächeln, selbst wenn Chaos herrscht.
· Es wird stets gewaltfrei und wertschätzend kommuniziert, auch wenn man mitten im größten Stress ist und die eigenen Emotionen einen übermannen.
Doch diese Erwartungen sind oft unrealistisch und doch nehmen viele Eltern sie unbewusst auf.
Hinzu kommt der Vergleich mit anderen Familien:
„Die Tochter meiner Freundin spielt schon Geige.“
„In der Kita-Gruppe ist Tim längst trocken, nur bei uns klappt es nicht.“
„Alle anderen scheinen Freizeit und Beruf perfekt zu organisieren, nur wir nicht.“
Dieser ständige Blick nach außen erzeugt Druck, auch wenn niemand ihn bewusst macht. Und er führt oft zu Selbstzweifeln „Mache ich genug? Bin ich eine gute Mutter? Ein guter Vater?“
Besonders stark wird das durch Social Media verstärkt. Auf Instagram oder TikTok sehen wir Hochglanzbilder im perfekt dekorierten Zuhause, perfekte Brotdosen, Kinder in harmonischer Geschwisteridylle, Mütter, die nach drei Stunden Schlaf strahlend Yoga machen. Realität? Meist ein kleiner Ausschnitt, inszeniert und gefiltert. Aber unser Gehirn vergleicht automatisch und wir fühlen uns unzulänglich.
Dabei gilt, Elternschaft ist nicht sichtbar an der Außenfassade, sondern spürbar im Inneren der Familie.
Kinder brauchen keine Perfektion, sie brauchen echte Nähe, unperfekte Momente, Streit und Versöhnung, kurz ein echtes gelebtes Leben mit Höhen und Tiefen, lernen mit Fehlern umzugehen und sich zu trauen man selbst zu sein.
Der innere Druck – Glaubenssätze, die uns antreiben

Oft ist es nicht die Gesellschaft da draußen, die am meisten Druck auf uns Eltern ausübt, sondern die leise Stimme in uns selbst. Diese Stimme speist sich aus Glaubenssätzen, die wir über Jahre verinnerlicht haben. Manche stammen aus der eigenen Kindheit, andere entstehen aus Vergleichen oder gesellschaftlichen Bildern von „guter Elternschaft“.
Typische Glaubenssätze sind zum Beispiel:
· „Ich muss immer stark sein, Schwäche darf ich nicht zeigen.“
· „Ich darf nie die Nerven verlieren oder laut werden.“
· „Ich muss alles alleine schaffen.“
· „Ich darf meinem Kind keine Fehler zumuten, schon gar nicht die, die ich selbst gemacht habe.“
· „Jeden Tag frisch und gesund kochen, sonst bin ich keine gute Mutter / kein guter Vater.“
· „Ich muss meinem Kind alles ermöglichen: Sport, Musik, kreative Angebote.“
· „Wir müssen finanziell mithalten, damit mein Kind nicht ausgegrenzt wird.“
· „Urlaub, Ausflüge, Erlebnisse, damit mein Kind in Kita oder Schule mitreden kann.“
· „Ich muss meine Kinder immer exakt gleich behandeln, sonst mache ich etwas falsch.“
· „Ich will es unbedingt anders machen als meine Eltern, weil ‚moderne Erziehung‘ es verlangt.“
Diese Glaubenssätze wirken wie eine unsichtbare Checkliste, die wir unbewusst abarbeiten wollen. Doch sie führen schnell zu Überforderung. Wir hetzen von Termin zu Termin, versuchen jedes Bedürfnis zu erfüllen, stellen unsere eigenen Bedürfnisse zurück und geraten irgendwann an den Punkt, an dem wir uns selbst verlieren.

Dabei vergessen wir leicht das Wesentliche!
👉 Kinder brauchen keine perfekten Eltern, die alles abdecken, präsentieren und ermöglichen. Sie brauchen Eltern, die verlässlich, authentisch und emotional erreichbar sind.
Ein Kind wächst nicht an einer perfekten Brotdose, am nächsten Reitkurs oder am teuersten Urlaub. Es wächst an echter Nähe, klaren Strukturen, liebevoll gesetzten Grenzen und an Eltern, die auch mal sagen: „Heute reicht’s. Wir machen es uns allen einfacher.“
Zwischen den Generationen – wenn Erziehung aufeinandertrifft
Ein weiterer, oft unterschätzter Druck entsteht dort, wo unterschiedliche Generationen aufeinandertreffen. Großeltern, die selbst in einer anderen Zeit erzogen wurden, bringen ihre eigenen Werte, Haltungen und Erfahrungen mit und diese unterscheiden sich häufig deutlich von dem, was junge Eltern heute leben möchten.
Sätze wie:
· „Bei uns gab es das nicht und es hat uns auch nicht geschadet.“
· „Das Kind tanzt dir ja völlig auf der Nase herum.“
· „Du musst auch einfach mal durchgreifen.“
· „Ein bisschen Strenge hat noch keinem geschadet.“

…kennen viele Eltern nur zu gut. Sie spiegeln nicht nur unterschiedliche Vorstellungen von Erziehung wider, sondern können auch tiefe Konflikte auslösen. Denn junge Eltern möchten ihre Kinder oft bedürfnisorientiert begleiten, weniger mit Strafen und mehr mit Beziehung arbeiten. Das steht manchmal im Widerspruch zu dem, was die ältere Generation als „richtige“ Erziehung ansieht.
Dieser Druck von außen verstärkt die innere Zerrissenheit. Bin ich zu streng oder zu weich? Bin ich konsequent genug? Bin ich dankbar für die Hilfe der Großeltern oder verteidige ich meine Haltung?
Doch an dieser Stelle liegt auch eine Chance. Es geht nicht darum, die Vergangenheit zu verurteilen, sondern Brücken zu schlagen. Viele Großeltern tragen wertvolle Erfahrungen und Ressourcen bei. Gleichzeitig dürfen Eltern ihren eigenen Weg gehen, der zu ihrer Familie und ihrer Zeit passt.
Die Kunst liegt darin, klar zu kommunizieren. „Danke für deine Erfahrung, wir machen es heute so, weil es für unser Kind und unsere Familie stimmig ist.“
So entsteht aus einem potenziellen Konflikt ein Dialog, in dem Erfahrungen anerkannt und neue Wege respektiert werden.
Woran misst sich „gute Elternschaft“ wirklich?

Nach all dem Druck von außen und innen bleibt die entscheidende Frage: Woran misst sich eigentlich, ob man eine „gute Mutter“ oder ein „guter Vater“ ist?
Die Antwort liegt nicht in To-do-Listen, Förderprogrammen oder Hochglanz-Ideen von Familie. Sondern in etwas viel Einfacherem und zugleich Wertvollerem:
· Beziehung statt Leistung. Kinder brauchen keine perfekten Eltern, sondern Menschen, die sie sehen, hören und an ihrer Seite sind, auch dann, wenn es schwierig wird.
· Verbindung statt Vergleich. Das echte Gespräch beim Abendbrot, die Umarmung nach einem Streit, das gemeinsame Lachen beim Spielen. All das prägt mehr als teure Ausflüge oder ständig wechselnde Freizeitangebote.
· Authentizität statt Fassade. Eltern, die auch mal zugeben: „Heute war ein anstrengender Tag“, zeigen ihren Kindern, dass Gefühle sein dürfen. Das macht stark fürs Leben.
„Gut genug“ ist in Wahrheit oft das Beste, was wir unseren Kindern schenken können. Perfektion erschafft Distanz, während Echtheit Nähe ermöglicht.
Wenn wir also den Maßstab neu definieren, erkennen wir: Gute Elternschaft zeigt sich nicht daran, wie viel wir leisten sondern daran, wie sehr wir verbunden sind.
Fun Fact an dieser Stelle: Das gesellschaftliche Umfeld passt sich an. Wer sein Familienleben authentisch lebt und nicht ständig fremden Maßstäben hinterherläuft, zieht automatisch Menschen an, die ähnlich denken und fühlen. So entstehen Begegnungen auf Augenhöhe, mit weniger Vergleich und mehr Verständnis. Das nimmt enormen Druck heraus und schafft ein unterstützendes Netz aus Gleichgesinnten.
Dein Kind braucht dich, nicht die perfekte Version von dir
Am Ende bleibt eine wichtige Wahrheit:
Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen dich, so wie du bist. Mit deinen Stärken, deinen Schwächen, deinem echten Lachen und manchmal auch deiner Erschöpfung.

Gerade in unserer Unvollkommenheit sind wir starke Vorbilder:
· Wir zeigen, dass Fehler erlaubt sind.
· Wir leben vor, wie man nach einem Streit wieder zueinander findet.
· Wir machen sichtbar, dass man nicht alles können oder leisten muss, um wertvoll zu sein.
Das nimmt Druck für dich und für dein Kind. Denn in dieser Echtheit steckt die größte Lernchance. Resilienz, Vertrauen und Verbundenheit wachsen nicht durch Perfektion, sondern durch Nähe.
Du darfst deinen eigenen Weg gehen auch wenn er manchmal anders aussieht als bei anderen Familien. Vertraue auf dein Bauchgefühl und auf das, was ihr als Familie braucht.
Und vor allem, vertraue deinem Kind. Es bringt so viel mit, was es für sein Leben braucht. Du begleitest, stärkst, und gibst Halt. Mehr muss es gar nicht sein.
Wenn du als Mama oder Papa merkst, dass der Druck manchmal überhandnimmt, dass alte Glaubenssätze oder Erwartungen von außen dich belasten, dann bist du nicht allein.
In meiner Arbeit unterstütze ich Eltern dabei, ihre Beweggründe, Glaubenssätze, Druckpunkte und Herausforderungen anzusehen und Schritt für Schritt in Gelassenheit, Stärke und Selbstsicherheit in ihrer Elternrolle zu kommen.
Denn du musst diesen Weg nicht alleine gehen. Mit Begleitung kannst du leichter erkennen, was dir wirklich wichtig ist und wie du deinen ganz eigenen, authentischen Weg als Familie gestaltest. 💚

Was denkst du nach dem Lesen des Artikels? Schreib mir sehr gerne etwas dazu!
Brauchst du Unterstützung und Sicherheit?
Lass uns gern mal gemeinsam ganz individuell und vertraulich schauen, was los ist. Klicke für mehr Informationen zu meinen Angeboten, auf die Rubrik „für Familien“, für mehr Liebe, Vertrauen und Sicherheit in deiner Elternschaft.
Bis dahin, bleib offen und einmalig,
deine Michaela




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